EDITORIAL # 52

Es gilt keine Zeit zu verlieren / There’s no time to lose

Die Welt ist im Wandel. Und das nicht erst seit Kurzem. Dies wird umso deutlicher angesichts der massiven Veränderungen und Ereignisse, die wir in unserem Alltag erfahren müssen. In einem Alltag, in dem es normal geworden ist, sich zwischen den Metropolen mit ihren Eröffnungen, Kunstmessen und Biennalen zu bewegen. In dem wir heute in München aufwachen, morgen in Los Angeles zum Lunch gehen und uns – nach einem Abstecher an den Lido von Venedig – übermorgen Abend bereits am Strand von Miami Beach wieder begrüßen. In ihm wandeln sich die Klimakonditionen ganzer Gebiete, entstehen Jahrhundertsommer mit drastischen Temperaturumschwüngen, verwüsten Stürme ganze Landstrecken und erzeugen Regenmassen wie über- tretende Flüsse Überschwemmungen, die uns seit jeher vertrauten Regionen radikal verändern.

Die Erde erwärmt sich – und dies mit erhöhter Wahrscheinlichkeit um mehr als 1,5 Grad, was uns nun mehr als denn je zu einem Umdenken und vielmehr noch zu einem Handeln bewegen muss. Zu einem Resümee und einer Reflexion unserer eigenen Position, wie es die sich im Oktober 2020 in London gegründete und seit April 2021 auch in Berlin sowie jetzt Los Angeles und Italien vertretene Gallery Climate Coalition anstrebt. Entstanden aus der Initiative von Galeristinnen und Galeristen wie Kate MacGarry, Thomas Dane, Sadie Coles, Greg Hilty der Lisson Gallery, der Kunstmesse Frieze Art Fair, der Journalistinnen Louisa Buck und Daisy Garnett sowie der Firmen Artlogic und Scott & Co., formuliert die GCC als internationale Organisation dabei klare Ziele: Das Angebot ökologisch nachhaltiger Richtlinien für den Kunstsektor, eine Reduktion der Kohlenstoffemission des Bereichs um mindestens 50% bis zum Jahr 2030 in Übereinstimmung mit dem Pariser Klimaschutzabkommen durch die Umsetzung realistischer Ziele und die Entwicklung der hierfür nötigen Ressourcen, ebenso die Förderung von effektiver Zusammenarbeit und innovativen Projekten hinsichtlich des Klimaschutzes. Zentrales Mittel zur Erreichung dieser mutigen Ziele ist dabei vor allem eins: der Austausch und die Zusammenarbeit vieler zur Etablierung eines internationalen Netzwerkes von Galerien, Künstler:innen, Non-Profit-Institutionen und Museen wie auch des Kunstbetriebes im Allgemeinen. Hierfür verpflichten sich Mitglieder wie etwa Maureen Paley in London, Roberts Projects aus Los Angeles oder die Galerie Sprüth Magers, die Teil der Berliner Arbeitsgruppe ist, nicht nur zu einer Einschätzung und Reduktion ihres eigenen CO2- Ausstoßes, sondern auch zu einer Überprüfung der von ihnen genutzten Ressourcen und vorhandenen Potenziale. Ebenso profitieren die Mitglieder von den Ergebnissen der eigens geformten Recherchegruppen und gemeinsam durch Sachverständige wie Berater:innen in Umweltfragen gefundenen neuen Wege. Gerade die in Berlin von Jennifer Chert (Galerie ChertLüdde) Ende 2020 initiierte Gruppe mit Mitgliedern wie u.a. Emiliano Pistacchi (Galerie Esther Schipper), Franziska von Hasselbach und Sven Below (Galerie Sprüth Magers), Carolin Leistenschneider von der Haverkampf Gallery, Helen Turner (E-Werk Luckenwalde), Viola Eickmeier (Studio Violet), Anne Schwanz von OFFICE IMPART, Lucile Bouvard und Kim Kraczon (NGO Ki Culture) thematisiert dabei offen lokale Lösungsansätze – bspw. hinsichtlich des Umstiegs auf Sammeltransporte und die Verlagerung auf den Seefrachtweg zur Reduktion der vielen CO2-Fußabdrücke.

Wie in London, motiviert der offene und engagierte Dialog nicht nur in Berlin oder Los Angeles neue Netzwerke und ein Bewusstsein, an dem es vor Pandemiebeginn im weltweiten Kunstbetrieb und seiner Schnelllebigkeit mehr als fehlte, sondern versteht sich vielmehr als Echo von bereits in der Kunst selbst lange thematisierten Fragestellungen. Sie zu erkennen, liegt dabei nicht nur an den Galerien, sondern auch an den Sammler:innen und Künstler:innen, die das Bindeglied zwischen den Institutionen bilden, wie Frances Morris, selbst Direktorin der Tate Modern, betont. Es geht um ein kollektives Erkennen und Verstehen des Klimanotstandes, bei dem wir unsere eigenen Konventionen aktiv herausfordern und ändern müssen – um ein wortwörtliches Auseinandernehmen der operierenden Strukturen des Kunstsystems. Denn, so Morris, „we sink, or swim together“. Dabei thematisiert Morris gleichermaßen einen Wandel, dessen beängstigenden Effekt eines sich immer mehr in Extremen artikulierenden Klimaumschwungs wir erst jetzt begreifen. Denn wer hätte sich noch im Jahr der 1959 während des Besuches der documenta II und ihres profunde inszenierten Einzug des US-amerikanischen Abstrakten Expressionismus mit seinen überdimensionalen Formaten in die Bestandsaufnahme der Kunst nach 1945 unter Porter A. McCray (Museum of Modern Art, New York) vorstellen können, dass das Versenden der gezeigten Großformate von Pollock bis Franz Kline und Barnett Newman bereits einige Dekaden später zum Standard des zeitgenössischen Ausstellungswesen gehören sollte. Und dies nicht nur für institutionelle Ausstellungen, sondern auch im Bereich der Vielzahl von Privatsammlungen, Stiftungen und Kunstmessen, deren Anzahl sich seit der Gründung des Kunstmarktes Köln – später Art Cologne – im Jahr 1967 und der Art Basel 1970 weiterhin ins Unendliche potenziert.
„Immer-höher-schneller-weiter“ ist hier Prinzip und Sackgasse einer absurden Dynamik, die die Übernahme großer Blockbuster-Ausstellungen aus New York, Houston und Hong Kong, über Berlin, Madrid oder Stockholm bis nach Seoul und Sydney in eine existentielle Notwendigkeit verkehrt hat, die nicht nur ihre eigenen institutionellen Protagonisten zugunsten ihrer Wettbewerbsfähigkeit bereits verschlungen hat, sondern mit ihnen ebenso ihr und unser natürliches Klima. Doch brauchen wir all diese Messen, Biennalen und Großformate? Sind Höchstbesucherzahlen das alleinige Ziel eines Museums, wie es die Direktorin der Tate Britain Maria Balshaw im Zoom-Gespräch mit der britischen Kunstkritikerin Louisa Buck hinterfragt? Und sind ein Umdenken und ein Bewusstsein über die Folgen dieses konsumorientierten Hedonismus nicht das, was das Phänomen eines wirklichen kulturellen Austausches wie Kunstmarktes für uns als auch für folgende Generationen erhält?

Vorreiter einer grünen, emissionsreduzierten (Groß-) Ausstellungspolitik ist die Frieze Art Fair, die ihren CO2-Ausschuss für das Jahr 2019 ebenso überprüfte und veröffentlichte wie die Londoner Galerien Kate MacGarry und Thomas Dane. Gaben letztere dabei in ihrer auf der Website der Gallery Climate Coalition veröffentlichten Klimabilanz – erstellt mit dem dort verfügbaren CO2-Rechner – Businessflüge, die Nutzung von Luftfracht für den Transport von Kunstwerken und den Energieverbrauch ihrer Galerieräumlichkeiten mit beinahe 94% als Hauptfaktoren für ihren persönlichen CO2-Fußabdruck an, so ging die britische Messe bereits einen Schritt weiter. Unter der Direktion von Victoria Siddall und Matthew Slotover zeigt die Frieze – selbst Teil der Londoner Gallery Climate Coalition – dabei durch einen Emissionsvergleich der Jahre 2018 und 2019, wie einer der Wege in die Zukunft aussehen kann – oder vielmehr muss! Und das durch eine Umstellung auf HVO Biodiesel im Jahr 2019, mit dessen Einsatz sich ihre Emissionswerte um 67% auf 88.1 Tonnen CO2 reduzierten. Bei ihr war es der massive Verbrauch von Dieselkraftstoff nur für die Generatoren des Stromverbrauchs des gesamten Messedisplays, das 2018 allein für einen Gesamtsumme von 207.55 Tonnen von CO2 sorgte (Reisen der Messemitarbeiter: innen, Heizung des Frieze Office in London sowie die Klimabilanzen und CO2-Fußabdrücke von Galeriemitarbeiter: innen, Messebesucher: innen und Kunstwerken noch nicht inbegriffen).

Fest steht: Es bedarf eines deutlichen Wandels. Eines Wandels unseres Denkens und Handelns – als Galerien und Institutionen, als Künstler:innen und Sammler:innen, als Transporteure und Messen, als Kritiker, Kuratoren und Besucher. Wir müssen die Nachhaltigkeit unsere Position überprüfen und lernen in der Gemeinschaft zu denken, wie es die Initiative der Gallery Climate Coalition international zeigt. An Möglichkeiten fehlt es nicht. Nur an unserem eigenen Einsatz, der im Kleinen beginnt und sich Umweltfragen, der eigenen Klimabilanz und einer sozialen wie gesellschaftlichen Nachhaltigkeit von Ressourcen individuell wie in der Gemeinschaft widmen muss – denn es gilt keine Zeit zu verlieren!

Weitere Informationen: galleryclimatecoalition.org

www.art2030.org
www.artandclimateaction.org
www.artswitch.org
www.art-to-acres-com.webnode.com
www.arttozero.org
www.clientearth.org
www.culturedeclares.org
www.extinctionrebellion.uk
www.galleriescommit.com
www.juliesbicycle.com
www.kiculture.org
www.parley.tv/fortheoceans
www.visualartspact.org

The world is changing—and not just recently. This has become all the more evident in light of the massive changes and events that we experience in our daily life, in which it has become normal to move between openings, art fairs, and biennials in major cities. We might wake up in Munich today, have lunch in Los Angeles tomorrow, and—after a trip to the Lido in Venice—meet again in the evening the day after tomorrow on the beach in Miami Beach. Climate conditions of whole areas are changing. There are once-in-a-century summers with drastic temperature fluctuations. Storms devastate entire regions and cause floods that radically change landscapes we have long known.

The earth is warming, with a high probability of an increase of more than 1.5 degrees, which now more than ever must move us to change our thinking and moreover to act. We must take a broad view and reflect on our own position. This is the aim of the Gallery Climate Coalition, which was founded in London in October 2020 and since April 2021 also has offshoots in Berlin, Los Angeles and Italy. The GCC was the result of the initiative of gallerists such as Kate MacGarry, Thomas Dane, Sadie Coles, Greg Hilty from Lisson Gallery, the Frieze Art Fair, the journalists Louisa Buck and Daisy Garnett, and the companies Artlogic and Scott & Co. As an international organization, its goals are clear: to offer environmentally sustainable guidelines for the art sector, reduce the sector’s carbon emissions by at least 50% by 2030 in accordance with the Paris Climate Accords by implementing realistic goals and developing the necessary resources, and to promote effective cooperation and innovative projects related to sustainability. The central means of achieving these ambitious goals are the exchange and cooperation between many different participants to establish an international network of galleries, artists, non-profit institutions, and museums as well as the art business in general. To this end, members such as Maureen Paley in London, Roberts Projects in Los Angeles, and Sprüth Magers—which is part of the Berlin working group—have committed not only to assessing and reducing their own carbon emissions, but also to examining the resources they use and existing potentials. The members also benefit from the results of the specially formed research groups and new approaches developed in collaboration with experts and consultants on environmental issues. Especially the group initiated in Berlin by Jennifer Chert (ChertLüdde) in late 2020 with members including Emiliano Pistacchi ( Esther Schipper), Franziska von Hasselbach and Sven Below (Sprüth Magers), Carolin Leistenschneider (Haverkampf Gallery), Helen Turner (E-Werk Luckenwalde), Viola Eickmeier (Studio Violet), Anne Schwanz (OFFICE IMPART), as well as Lucile Bouvard and Kim Kraczon (Ki Culture) openly addresses local solutions—for example, switching to consolidated shipping and sea freight to reduce carbon footprints.

As in London, the open and committed dialogue not only motivates new networks and awareness in Berlin and Los Angeles, which were more than lacking in the fast-paced global art business before the pandemic; it also echoes issues that have long been dealt with in art. Recognizing them is not only up to the galleries, but also the collectors and artists who form the link between the institutions, as Frances Morris, director of Tate Modern, emphasizes. It is about a collective recognition and understanding of the climate emergency, in which we must actively challenge and change our own conventions, a literal dismantling of the operating structures of the art system. After all, as Morris says, “We sink, or swim together.” At the same time, Morris highlights a shift whose frightening effect of increasingly extreme weather fluctuations we are only now beginning to grasp. After all, who could have imagined in 1959 at documenta II, where American Abstract Expressionism made its debut under Porter A. McCray ( Museum of Modern Art, New York), that shipping these large-scale works by the likes of Jackson Pollock, Franz Kline, and Barnett Newman would become standard in contemporary exhibitions a few decades later. And this applies not only to institutional exhibitions, but also to the numerous private collections, foundations, and art fairs, which have increased substantially in number since the establishment of what later became Art Cologne in 1967 and Art Basel in 1970.

“Ever higher, faster, further” is the principle and dead end of an absurd dynamic that turns blockbuster traveling exhibitions from New York, Houston, and Hong Kong via Berlin, Madrid, Stockholm, Seoul, and Sydney into an existential necessity which has not only devoured its own institutional protagonists in the name of competitiveness, but also its and our natural climate. But do we need all these fairs, biennials, and large formats? Should maximizing the number of visitors be the sole goal of a museum, as the director of Tate Britain Maria Balshaw questioned in a Zoom interview with British art critic Louisa Buck? And isn’t a rethinking and an awareness of the consequences of this consumer-oriented hedonism what is needed to preserve the phenomenon of a real cultural exchange and art market for us as well as future generations?

The pioneer of a green, low-emission (large-scale) exhibition policy is Frieze Art Fair, which reviewed and published its carbon emissions for 2019, as did the London galleries Kate MacGarry and Thomas Dane. While the latter indicated that their business class flights, air freight for shipping artworks, and the energy consumption of their gallery space were the main contributors to their carbon footprint, accounting for nearly 94% of total emissions, the British fair went one step further in its climate report published on the website of the Gallery Climate Coalition, which was created with the carbon calculator available there. Under directors Victoria Siddall and Matthew Slotover, by comparing the fair’s emissions from 2018 and 2019, Frieze (a member of the London Gallery Climate Coalition) exemplifies one possible, indeed necessary path forward. The transition to HVO biodiesel in 2019 reduced their emissions by 67% to 88.1 tons of CO2. At Frieze, in 2018 the massive consumption of diesel fueling the electricity generators for the entire exhibition space produced a total of 207.55 tons of CO2 (which does not include travel by fair employees, heating of the Frieze office in London, or the climate footprints of gallery employees, fair visitors, and artworks).

One thing is certain: real change is necessary. We must change the way we think and act—as galleries and institutions, as artists and collectors, as shipping companies and tradefairs, as critics, curators, and visitors. We must consider the sustainability of our position and learn to think as a community, as the initiative of the Gallery Climate Coalition demonstrates internationally. We have plenty of options. What is needed is our own commitment, which starts with small things and must focus on environmental issues, our own climate impact, and the social sustainability of resources, both individually and as a community. After all, there’s no time to lose!

More information:
galleryclimatecoalition.org

www.art2030.org
www.artandclimateaction.org
www.artswitch.org
www.art-to-acres-com.webnode.com
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GALLERY CLIMATE COALITION – LONDON

GCC Founding Committee in London, © Gallery Climate Coalition

Als ich Ende der 1980er Jahre zur Tate kam, hätte ich mir nie vorstellen können, dass es heute vier Tates geben würde; dass wir weltweit vernetzt sein würden; dass wir jedes Jahr dutzende von internationalen Leihgaben ausstellen würden; dass wir für die internationalen Reisen von Millionen von Menschen mitverantwortlich sein würden und dass unsere Existenz in einer Wirtschaft stattfindet, deren wahre Kosten – was den Planeten und die Menschen betrifft – unvorstellbar sind. Und es fühlt sich an, als würden wir aus einem schlech- ten Traum aufwachen. Ich fordere meine Kolleg:innen, mich selbst und andere Organisationen dringend auf, eine Bilanz zu ziehen und darüber nachzudenken, was die wahren Kosten und der wahre Wert dessen ist, was wir tun? Ich meine nicht den Wert der Kunstwerke, sondern den Wert für unser Publikum, für unsere Künstler:innen, für uns selbst. Was haben wir von all dem? Und ich glaube, es ist ein Moment für das, was ich einen Systemwechsel nennen möchte. Es geht darum, die grundlegenden Abläufe jenseits des Finanzmodells zu betrachten und zu überlegen, ob wir es uns hinsichtlich der Bedingungen unseres Planeten leisten können. Ich glaube nicht, dass wir es uns leisten können! Es geht also nicht nur um den Ausgleich oder einen ökologischen Umbau dessen, was wir tun, sondern darum, das System selbst in Frage zu stellen. (Frances Morris, Direktorin, Tate Modern, im Zoom-Gespräch mit Louisa Buck, Journalistin, Gallery Climate Coalition, London)

Machen sie es sich ganz einfach, indem sie sich die Frage stellen: Was weiß ich nicht über den Kohlenstoffausstoß meiner Verfahren und Vorgehensweise? Wie kann ich herausfinden, was das ist? Im Grunde geht es also darum, jemanden zu finden, der sich auskennt und von ihm eine Überprüfung durchführen zu lassen – selbst, wenn dies nur in einem lockeren Gespräch mit jemandem ist. Wir haben all diese Informationen bereits. Wenn sie 12 Malereien verschicken, ist bspw. dies die Emissionsmenge, die es zur Folge hat. Der springende Punkt ist, dass ich mir diese Fragen nie gestellt habe. Es war das Problem von jemand anderem, nicht mein eigenes. Und eigentlich war es mir lieber, dass es kein Problem war, weil ich es vorzog, dass alles nach dem Status quo ablief. Für einen Moment macht es also ein bisschen mehr Mühe, aber das ist so gering im Vergleich zu den positiven Auswirkungen, die es hat. Es ist eine sehr einfache Sache, sich zu fragen: Was kann ich praktisch tun? Es erhöht die Kosten in Summe vielleicht nicht so sehr, wenn wir es alle tun; wenn jeder von uns sich an den Seefrachttransporten beteiligen würde – und ich weiß, dass viele Leute das tun und das ist eine der Hauptkomponenten davon. Wir würden einen Unterschied erzeugen! (Gary Hume, Künstler, im Zoom-Gespräch mit Louisa Buck, Journalistin, Gallery Climate Coalition, London)

I could never have imagined when I joined the Tate in the end of the 1980s that by this time there would be four Tates, that we would be globally interconnected, that we would be doing across Tate dozens of international loan exhibitions every year, that we would be partly responsible for the international travel of millions of people, and that our very existence is held in this economy where the true cost of which, in terms of its costs of planet and people, is unimaginable. And it just feels like we’re waking up from a bad dream. I urge my colleagues, myself, and other organizations to take stock and think about what the true cost is, and what the true value of what we do is. I don’t mean the value of works of art; I mean the value to our audiences, to our artists, to ourselves. What are we getting out of this? I think there is a moment for what I call system change: really looking at how the fundamental operations beyond the financial model of where we are and thinking about whether we can afford it in planetary terms. I don’t think we can afford it! So it’s not just about offsetting or greening what we do; it’s really unpicking the system itself. (Frances Morris, Director, Tate Modern in conversation with journalist Louisa Buck, Gallery Climate Coalition, London)

Do the very simple thing really, which is just ask yourself the question: What don’t I know about the carbon output of my practice? How can I find out what that is? So it’s basically finding someone who knows and having them give me an audit, even if this is just a relaxed conversation with somebody. We have all this information already. If you are shipping twelve paintings, this is really what it does. Because the main point is, I never asked myself these questions. It was somebody else’s problem, not my own. And really, I preferred it not be a problem, because I preferred everything to go along the status quo. So, for a moment, it adds a bit of hassle, but it’s so minor in comparison to the positive sides of it. It’s a very simple thing. Ask yourself: What practically can I do? It might not add up to much if we all do it. If everyone would be shipping by sea. And I know a lot of people do and this is just one of the major components of it. We’ll make a huge difference! (Gary Hume, artist in conversation with journalist Louisa Buck, Gallery Climate Coalition, London)

GALLERY CLIMATE COALITION – BERLIN

Der kollaborative Ansatz und das gemeinsame Ziel einer nachhaltigeren Kunstwelt sind sehr inspirierend und zugleich dringend notwendig. Der Austausch von Ideen im Hinblick auf Nachhaltigkeit kann sowohl lokal und unmittelbar als auch im Dialog mit einem internationalen Netzwerk organisiert werden. Wir können viel erreichen, wenn eine Zusammenarbeit in unserem direktem Umfeld beginnt, mit unseren Kolleg:innen und Freund:innen vor Ort. Es ist großartig und motivierend, dass wir alle in Zukunft noch enger zusammenarbeiten können und werden. (Franziska von Hasselbach, Senior Director, Sprüth Magers)

The collaborative approach and the common goal of a more sustainable art world are very inspiring and at the same time urgently necessary. The exchange of ideas on sustainability can be organized locally and directly as well as in dialogue with an international network. We can achieve a great deal when cooperation begins in our immediate surroundings, with our local colleagues and friends. It’s fantastic and motivating that we can and will all work together even more closely in the future. (Franziska von Hasselbach, Senior Director, Sprüth Magers)

GALLERY CLIMATE COALITION – LOS ANGELES

Wir sind uns in der Kunstszene durchaus bewusst, daß unsere Vorgehensweisen dringend überdacht werden müssen, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu verstehen und damit zu verringern. Es ist sehr bewegend und ermutigend, dass so viele Vertreter:innen der Kunstszene mit unterschiedlichem Hintergrund und Erfahrung ohne zu zögern ihre Zeit und Ressourcen zur Verfügung gestellt haben, um sich dem Thema Klimawandel zu widmen. Durch die kontinuierliche Zusammenarbeit in der Gruppe und das Engagement solch leidenschaftlicher Kolleg:innen besteht die Hoffnung, dass wir in dieser kritischen Phase sinnvolle, umfassende Veränderungen in unserer Branche erreichen können. (Siobhan Bradley, Roberts Projects, Los Angeles)

There is an acute awareness in the arts community that our practices must be urgently reevaluated to understand—and subsequently reduce—our sector’s environmental impact. It has been immensely moving and encouraging that without hesitation, so many arts professionals of different backgrounds and experience have volunteered their time and resources to take on the issue of climate change. Through continued group collaboration and commitment of such passionate individuals, there’s much hope that we can achieve meaningful, systemic change in our industry at this critical stage. (Siobhan Bradley, Senior Registrar, Roberts Projects)

EIN GESPRÄCH MIT DR. STEFANIE KREUZER / A CONVERSATION WITH DR STEFANIE KREUZER

Was halten Sie – vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Klimas und den hiermit verbunden gesellschaftlichen wie politischen Debatten – für die wichtigsten Fragestellungen für eine Institution?

Die gesellschaftlichen und politischen Veränderungen und Krisen, die global unsere Welt zum Beginn des 21. Jahrhunderts erfasst haben, führen Museen, die traditionell kulturelles Erbe sammeln, erforschen, bewahren und ausstellen, zum Nachdenken über ihr Selbstverständnis… und mithin über die sich erweiternden institutionellen Aufgaben. Die Debatte des sich wandelnden Klimas ist eine zentrale Problematik, welche auch die Institution „Museum“ betrifft. Das Museum unter der Perspektive der Nachhaltigkeit und des Klimawandels zu betrachten, bedeutet einerseits, „alle“ musealen Prozesse kritisch zu hinterfragen, d.h. von den fundamentalen Aufgaben des Museums (Sammeln, Bewahren, Erforschen) bis hin zu den konkreten Handlungen (Ausstellen, Vermitteln) und andererseits auch eine offene, diskursive Plattform der inhaltlichen (wissenschaftlichen, kreativen) Auseinandersetzung mit diesen Themen zu sein. Das Museum ist – in Zusammenarbeit mit Künstler:innen – ein Initiator einer Debatte, es schafft einen experimentellen Raum, der unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen aktiviert und einbezieht. So begegnen sich in der Institution „Museum“ innovative Gedanken und konkretes gesellschaftliches Handeln. Museale Vermittlungsarbeit, die als eine der wesentlichen Aufgaben der Institution auf eine differenzierte Publikumsansprache setzt, bildet hier die Brücke, die zur Entwicklung neuer Ideen, kritischer Reflexionen und auch kreativer Lösungen führen kann. Aber die Institution selbst muss sich in ihrem eignen Handeln der Problematik des ökologischen Fußabdrucks stellen, indem der gesamte Betrieb reflektiert und kritisch beleuchtet wird – vom Bauen bzw. Sanieren über das Ausstellen, Konservieren und Publizieren bis hin zu den Transporten und den Reisen der Mitarbeitenden.

Welche Möglichkeiten, aber auch Chancen bietet der sich aktuell sichtbarer denn je manifestierende Klimawandel Institutionen und den derzeitigen Modellen zeitgenössischer Ausstellungspraxen?

Der sich immer stärker manifestierende Klimawandel trägt die Chance in sich, die Aufgaben der Institution neu zu denken. Die Sammlungen rücken ins Zentrum der Überlegungen. Den Umgang mit der/den Sammlung(en) zu dynamisieren, d.h. die Sammlungen nicht als ein eher statisches Fundament des Hauses zu fassen, sondern die Werke in verschiedenen historischen Kontexten, in verschiedenen thematischen Perspektiven zu zeigen, in dialogischen Gegenüberstellungen oder auch bewusst „gegen den Strich“ zu bürsten. Ansätze hierzu sind jetzt überall zu sehen. Die Sammlung durch Werke „anderer gesellschaftlicher Narrative“, durch Ankäufe zu ergänzen, wäre eine mögliche Form der Erweiterung der Blickperspektive und zugleich die Möglichkeit, neue gesellschaftliche Gruppen für das Haus und die Sammlung zu begeistern. Die Sammlung(en) in der Optik unterschiedlicher Ausstellungsformaten zu präsentieren, fordert nicht nur ein Publikum, das sich von der Idee der „Blockbuster“ verabschiedet, sondern auch auf politischer Ebene die Einsicht, dass eben jene Ausstellungskultur mit den entsprechenden Besucherzahlen nicht als Desideratum zu verstehen ist. Die Institution vielmehr als Ort der Bildung und des Dialogs zu verstehen, setzt auf Präsentationen, für die nicht das „Neue“ und „Ungesehene“ das Wichtigste ist, sondern die Kontextualisierung der jeweiligen Arbeiten, die in verschiedenen Konstellationen ihre Bedeutung verändern können. Die Sammlung in Bewegung heißt auch das Denken in Bewegung zu setzen. Neben den vielfältigen Bereichen der Gebäudetechnik im Hinblick auf die Klimadiskussion (Klimawerte für Kunstwerke in Ausstellungen und Depots, Beleuchtung etc.) ist aber auch die Ausstellungstätigkeit – verbunden mit Reisen, Transporten und Leihgaben, verbunden mit dem Aufbau temporärer Architekturen etc. – zu bedenken. Längere Laufzeiten der Ausstellungen, Verzicht auf Flugreisen, klimaneutralere Transportmittel und Transportwege, CO2-neutrale Katalogproduktionen … sind nur ein paar der möglichen Maßnahmen auf dem Weg zur Umstrukturierung.

Entsteht – ähnlich wie im Feld der zeitgenössischen Galerien durch die Gallery Climate Coalition mit ihren Ablegern in London, Berlin und Los Angeles – auch ein Dialog der deutschen Kulturinstitutionen untereinander, und welche Bedeutung hat er für die Nachhaltigkeit von Kultur, aber auch der Institutionen?

Ja, es gibt u.a. eine Initiative, die sich um die Diskussion des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit in Museen kümmert. Der Deutsche Museumsbund ist hier der Ansprechpartner. Gemeinsam an den Strategien für eine klimaneutrale Haltung der Museen zu arbeiten und auch für Verbindlichkeit zu sorgen, ist meines Erachtens für den Erfolg und die Akzeptanz der Ideen ein wichtiger Schritt.

(Dr. Stefanie Kreuzer, Ausstellungsleiterin und Kuratorin für Gegenwartskunst, Kunstmuseum Bonn)

Against the background of a changing climate and the associated social and political debates, what do you think are the most important issues for an institution?

The social and political changes and crises that have gripped our world in the early 21st century lead museums that traditionally collect, research, preserve, and exhibit cultural heritage to reflect on how they see themselves, and consequently on their expanding institutional responsibilities. The debate about the changing climate is a central problem that also affects the institution of the museum. Viewing the museum from the perspective of sustainability and climate change means, on the one hand, critically questioning all museum processes, from the fundamental tasks of the museum (collecting, preserving, researching) to specific activities (exhibiting, educating), and on the other hand being an open, discursive platform for academics and creative professionals to engage with these topics. In collaboration with artists, the museum is an initiator of a debate. It creates an experimental space that activates and includes different social groups. This allows innovative ideas and concrete social action to meet in the institution of the museum. Educational work in museums, which is one of the main tasks of the institution and is based on a nuanced approach to the public, is a bridge that can lead to the development of new ideas, critical reflections, and creative solutions. But the institution itself must face the problem of the environmental footprint of its own activities by reflecting on and critically examining the entire operation, from building and renovating to exhibiting, conservation, publishing, as well as shipping and travel for employees.

What possibilities as well as opportunities does climate change, which is currently more visible than ever, offer institutions and the current models of contemporary exhibition practices?

The increasingly manifest effects of climate change are also an opportunity to rethink the tasks of the institution. The collections become the focus of our thinking. We aim to dynamize the way we present the collections, which means not seeing them as a static foundation of the institution, but showing the works in different historical contexts, in different thematic perspectives, in dialogical juxtapositions, or even deliberately going against the grain. Similar approaches are now widespread. Supplementing the collection with acquisitions of works from “other social narratives” is one possible form of expanding the perspective and at the same time the possibility of inspiring new social groups for the museum and the collection. Presenting the collections in the optics of different exhibition formats not only demands an audience that has moved on from the idea of blockbusters, but also, on a political level, the recognition that precisely this exhibition culture with large numbers of visitors is not what we should aim for. Rather, understanding the institution as a place of education and dialogue requires presentations for which the “new” and “unseen” is not the most important thing, but rather the contextualization of the respective works, which can change their meaning in different constellations. Dynamizing the collection also means dynamizing our thinking. In addition to the various areas of building technology with regard to the climate discussion (the environmental footprint of artworks in exhibitions and storage, lighting, etc.), we must also think about our exhibition activities, including travel, shipping, loans, and the construction of temporary structures. Longer exhibition durations, avoiding air travel, more carbonneutral shipping methods and transport routes, and carbonneutral catalog production are just a few of the possible steps we can take toward restructuring.

Is there a dialogue between German cultural institutions, similar to the contemporary galleries involved in the Gallery Climate Coalition in London, Berlin, and Los Angeles, and what significance does it have for the sustainability of culture as well as institutions?

Yes, there is, among other things, an initiative to discuss climate protection and sustainability in museums. The German Museums Association is the contact here. In my opinion, working together on strategies for a climateneutral attitude of museums and also ensuring commitment is an important step for the success and acceptance of the ideas.

(Dr. Stefanie Kreuzer, Director of Exhibitions and Curator of Contemporary Art, Kunstmuseum Bonn)