EDITORIAL # 33

GIL BRONNER / PHILARA COLLECTION

Der Düsseldorfer Kunstsammler und Immobilienentwickler Gil Bronner hat im Juni 2016 in Düsseldorf Flingern seine Privatsammlung Philara auf einer Fläche von 1700 Quadratmetern eröffnet. Bronner sammelt seit fast 25 Jahren internationale, zeitgenössische Kunst ohne ein festgelegtes Konzept und ist damit einer der wenigen Kunstsammler, der alleine seinem Blick traut.
Für Cahier hat Gil Bronner einen Text verfasst, der sich nicht nur mit dem persönlichen Blick auf die Kunst und wie sich dessen Beurteilung mit den Jahren verändert hat befasst, sondern auch klare Worte findet für die gegenwärtige Kulturpolitik im Rheinland.

Friedrich Kunath und Gil Bronner, Juni 2016

Die Geschichte meiner Kunstsammlung ist sicher vergleichbar mit der vieler anderer Sammler. Der Blick für Qualität mag bei manch einem schon früher ausgeprägt sein als bei anderen. Lernen werden alle mit der Zeit. Nur die wenigsten haben von Anfang an ein klar definiertes Konzept von dem was sie sammeln wollen. Ich persönlich finde dies auch nicht besonders empathisch und ohne Empathie sollte man sich lieber auf Aktien statt auf Kunst konzentrieren. Als ich jung war, habe ich nie verstanden wieso mein Vater die Arbeiten von Georg Grosz so schätzt. In Retrospektive verstehe ich auch warum ich manches nicht verstanden habe. Der Blick muss sich mit der Zeit erst schärfen. Nicht alle Kunstkenner, wenn man den Begriff so verwenden darf, finden alles gleich gut.
Ich bin mir aber recht sicher, dass die meisten Qualität ähnlich empfinden bzw. als solche erkennen, egal um welches Medium oder welchen Stil es sich handelt. Trotzdem ist das zu betrachtende Spektrum riesig und manchmal nimmt man auch sehr gute Positionen einfach aufgrund der Fülle nicht wahr.

Ausstellungsansicht/ Installation view Sammlung Philara, 2016 Natalie Czech, A hidden poem by Sarah Riggs, 2012, Timm Ulrichs, Walter Benjamin... 1967, Hans Peter Feldmann, Zwei Schwestern von Schadow

Zurück zu mir. Der Weg von der – mehr oder minder – gegenständlichen Malerei, die ich Anfangs gesammelt habe, zu eher abstrakteren, konzeptuellen Positionen ist kein außergewöhnlicher. Dies obgleich ich schon sehr früh eine starke Liebe für die Arbeit russischer Konstruktivisten hatte, wie z.B. Naum Gabo. Es hat also etwas von einer Möbiusschleife, obwohl ich damals noch nicht gesammelt habe. Vielleicht liegt es daran, daß man als junger Sammler eher auf Nummer sicher geht und deshalb am ehesten ästhetisch ansprechende Kunstwerke, die einfacher zu erschließen sind, kauft. Später stellt man fest, daß das schwierigste Medium wahrscheinlich das ist, was am Anfang am einfachsten aussah, nämlich die Malerei. Malerei von nachhaltigem Bestand, die heutzutage so kritisch beäugt wird, ist sicher am schwersten herzustellen, schon allein weil Malerei am leichtesten entzifferbar scheint. Aus meiner heutigen Perspektive sind fast alle Medien äquivalent, auch kann ich mich der Bedeutung der zeitbasierten Medien nicht entziehen. Arbeiten wie Julian Rosenfeldts Manifesto sind für mich so klar als Kunst identifizierbar wie nie zuvor.

Mit den sehr jungen postdigitalen Arbeiten, die zum Beispiel in den Kunst-Werken Berlin (KW Institute for Contemporary Art) gezeigt wurden, tue ich mich noch sehr schwer, vielleicht habe ich aber recht und sie sind wirklich nicht gut, bis auf Camille Henrot, die fand ich gut!

Betrachtungen zum Markt und seinen Strömungen

Ich habe bis zum heutigen Tag so gut wie keine Kunst verkauft, zwei Arbeiten von vielleicht insgesamt 1.500 Werken. Trotzdem würde ich nie behaupten, daß der Markt für mich keine Rolle spielt. Erstens bestimmt er meinen Ankaufspreis, zweitens interessiert es mich natürlich wie der Markt die Entwicklung der Künstler wahrnimmt. Allerdings muss man bei der Betrachtung gut aufpassen; der Kunstmarkt war schon von jeher opak, heutzutage gibt es viel Kunst dessen Preise etwa durch große Player bestimmt wird, wie Basquiat und Damian Hirst. Oder sehr junge Künstler, die von Spekulanten gehypt werden, um schnell Geld zu verdienen. Meist, nicht immer, ruinös für die Karriere. Dazwischen gibt es allerdings einen breiten Markt, an dem die Preise durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden.

Leigh Ledare, An Invitation, 2012

Umso wichtiger seine eigene Meinung zu haben. Neben den eigenen Erkenntnissen aus der Kunstakademie und Ausstellungen junger Kunst, wie etwa in Düsseldorf im KIT, bestimmt für mich am häufigsten das Urteil von Galeristen und anderen Sammlern, von deren Meinung ich etwas halte, meine Wahrnehmung junger Positionen. Manchmal auch watchlists, bzw. Artikel in Zeitschriften. Sein Urteil sollte man sich, am Ende, jedenfalls selbst bilden.

Institution/ Privatsammlung

Es fällt mir schwer, die neuen Ausstellungsräume auf der Birkenstraße ein Museum zu nennen, obwohl das Konzept und die schiere Größe dies wahrscheinlich meritieren. Dies geschieht nicht aus falscher Bescheidenheit – ich bin schon ziemlich stolz auf das Projekt – sondern weil für mich eine essentielle Ingredienz fehlt; wir haben keinen offiziellen Bildungsauftrag. Trotzdem freue ich mich natürlich, wenn unsere Besucher bei Philara neue Künstler entdecken.

Außerdem würde ich nie behaupten, daß ich nie etwas verkaufen würde. Etwas was öffentliche Museen leider nicht dürfen. Ich sage leider, weil die öffentliche Diskussion sich fälschlicherweise immer nur um die Top-Arbeiten dreht, die Museen retten sollen. Es gibt aber gerade in vielen öffentlichen Häusern eine Mehrheit an Arbeiten, die in den letzten 20 – 30 Jahren nie die Depots verlassen haben und es wahrscheinlich auch nicht werden. Die Aufbewahrung kostet viel Geld, frisst viel Platz und bringt effektiv nichts. Auch wenn die Veräußerung nur minimale Erträge bringen würde, wäre dies häufig besser als eine sinnlose Aufbewahrung. Zumal es wahrscheinlich auch viele sehr ähnliche Arbeiten in den Depots gibt. Es wäre wünschenswert und sinnvoll die Betrachtung von Dogmen zu befreien, um das Problem intelligent zu lösen. Spitzenwerke sollte man keinesfalls verkaufen, es sei denn man hat mehrere Ähnliche. Es gibt außerhalb Deutschlands, z.B. im Israelmuseum in Jerusalem oder auch in den USA, durchaus kluge Ansätze, die man vielleicht auch hier anwenden könnte. Da viele Arbeiten Schenkungen sind, wendet sich das Museum häufig an die Schenker (oder deren Nachkommen), wenn z.B. der fünfte Basquiat oder der sechste Liebermann kaum gezeigt wurde. In Abstimmung mit den Schenkern werden die Werke veräußert und junge Kunst angekauft, die dann wiederum den Schenkern zugewiesen werden. Eine Win-win-Situation! Solche Vorgehensweisen, Verfahren o.Ä. sollten auch in Deutschland möglich sein. Zumindest sollte die Möglichkeit vorgesehen werden. Ich sehe mich mit Philara auf keinen Fall in einer Konkurrenzsituation mit irgendeiner anderen Institution, sei sie öffentlich oder privat. Vielmehr freue ich mich über die Vielfalt, die in unserer Region angeboten wird. Ich habe es schon sehr oft gesagt: Aus einer reinen Museumsperspektive ist das Rheinland mit Düsseldorf im Zentrum die stärkste Region der Welt. Selbst die großen Ballungszentren wie London, Paris oder New York können da nicht mithalten.

Friedrich Kunath, Ausstellungsansicht Juckreiz, 2016

Lokal- und Kulturpolitik

Leider wird dies genauso wenig von der lokalen Politik und erst recht nicht von der Landesregierung begriffen. Es würde, relativ gesehen, so wenig Geld kosten, wenn z.B. Düsseldorf, Köln, Essen und Duisburg gezielt in ausländischen Kunstmedien werben würden. Scheinbar erkennt dies jedoch niemand und keiner macht sich die Mühe, sich damit auseinander zu setzen.

Die Tatsache, daß das Land es billigend in Kauf nimmt, daß das Museum Morsbroich geschlossen werden soll, ein Museum mit einem derart guten Programm, ist einfach nur eine Schande. Welchen Stellenwert das private Engagement im Kulturministerium hat durfte ich letztens persönlich erfahren. Eine nett ausgesprochene Einladung an die Kulturministerin wurde von ihren Mitarbeitern beantwortet, als ob ich ein Bittsteller sei. Ich war nicht beleidigt, habe mich aber über die Dummheit des Schreibens geärgert.

Aber das ist nicht nur symptomatisch für die Landesregierung, sondern für die Beziehung zum privaten Engagement im Allgemeinen. Im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft gibt es bei uns in der Stadt kaum Leute die sich nennenswert engagieren. Es gibt so viele Unternehmer, Anwälte, Ärzte usw., für die eine jährliche Spende von € 10.000,- leicht zu verkraften wäre, aber es gehört, anders als in den Angelsächsischen Ländern, hier einfach nicht zum guten Ton sich privat zu engagieren. Damit ließe sich die Lücke, die Eon zum Beispiel im Museum Kunstpalast hinterlässt, leicht schließen und viel mehr noch. Im Großen und Ganzen muß man aber betonen, daß unsere Position im globalen Vergleich – denn Kürzungen gibt es überall – sehr gut ist. Geklagt wird jedenfalls immer schon und überall und das wird wahrscheinlich auch in Zukunft so bleiben.

Gil Bronner, im August 2016
www.philara.de

In June of 2016, the Düsseldorf-based art collector and real estate developer Gil Bronner opened his private collection Philara on an area of 1700 square meters in Düsseldorf Flingern. Bronner has been collecting international contemporary art for almost 25 years without a strictly defined concept and with this is one of the few art collectors who only trusts their own vision.
For Cahier, Gil Bronner has composed a text that doesn’t just deal with the personal view on art and how its evaluation has changed over the years, but also finds plain words for the current cultural policy in the Rhineland.

Friedrich Kunath, Re:Vuillard (Lax), 2013, Courtesy the artist and BQ, Berlin

The history of my art collection is certainly comparable to those of many other collectors. The eye for quality might have developed earlier for some than for others. Everyone learns as time goes by. Only very few have a clearly defined concept of what they wish to collect right from the beginning. Personally, I also don’t think that this is especially empathic and without empathy one should focus on stock rather than art. When I was young, I never understood why my father appreciated the works of Georg Grosz so much. Retrospectively I also understand why I didn’t understand many things. The eye has to be refined by time first. Not all connoisseurs of art, if one is allowed to use the notion like this, enjoy everything equally. However I’m quite certain that most of them conceive quality similarly, or recognise it as such, no matter the medium or style. Nevertheless, the spectrum to be considered is enormous and sometimes one doesn’t appreciate very good positions simply because of the abundance of them.

Back to me. The path from, more or less, representational painting, which I collected initially, to more abstract, conceptual positions is not an unusual one. This is despite my great love for the work of Russian constructivists like Naum Gabo early on. It resembles a Möbius strip, despite not yet having collected back then. Perhaps it is because as a young collector, one wants to play it safe and therefore most likely collects aesthetically pleasing artworks which are more easily accessible. Later on, one realises that the most difficult medium is probably the one that seemed the easiest in the beginning, namely painting. Paintings of lasting persistence, which are seen so critically these days, are certainly the most difficult to produce, for the reason alone, that painting seems to be the easiest medium to decipher. I’m still at odds with emergent post-digital works like the ones shown at the KW Institute for Contemporary Art, but perhaps I’m right and they are really not good, except for Camille Henrot – that I enjoyed!

Hans Peter Feldmann, Zwei Schwestern von Schadow, 2012

Considerations on the market and its currents

To this day I have sold virtually no art, two works of perhaps 1500 in all. Yet I would never claim that the market doesn’t matter to me. Firstly it dictates my purchase price, secondly I’m of course interested in how the market perceives the development of the artists. However one has to be careful in observing this; the art market has always been opaque, these days there is a lot of art whose price is determined by big players, like Basquiat and Damien Hirst. Or very young artists who are hyped by speculators to quickly earn money. Often times, not always, this is ruinous for a young career. In between there is a broad market where prices are actually determined by supply and demand. All the more important to have an opinion. Besides my own insights at the art academy and exhibitions of young art, like at the KIT in Düsseldorf, my perception of emergent positions is most often affected by the judgement of gallerists and other collectors whose opinion I value. Sometimes also watch lists or articles in magazines. In the end one should form one’s own judgement.

Institution/Private Collection

I have difficulty calling the new exhibition spaces on the Birkenstraße a museum, despite the concept and sheer size probably meriting that. This isn’t the case because of false modesty – I’m quite proud of this project – but because an essential ingredient is missing for me; we don’t have an official educational mandate. Nevertheless I’m delighted when our visitors discover new artists at Philara. Furthermore I would never claim that I will never sell anything.

Ausstellungsansicht/ Installation view Sammlung Philara, 2016 Björn Dahlem, Sonne, 2012, Andreas Schmitten, Kinosessel. Vitrine Nr. 1603, 2013, David Renggli, Reclining Nude, 2014

Something public museums unfortunately aren’t allowed to do. I say “unfortunately” because public discussion always revolves around the top works that museums are supposed to save. But especially in many public institutions there is a majority of works that haven’t left the depots within the last 20-30 years und likely never will. The storage is very expensive, takes up a lot of space and effectively doesn’t provide any benefits. Even if sales would bring only minimal revenue, this would often be better than pointless retention. Especially since there are likely many similar works in the depots. It would be desirable and sensible to free the considerations of dogmas in order to solve the problem intelligently. Standout works should never be sold, unless a collection has several similar ones. Outside of Germany, for example at the Israel Museum in Jerusalem or in the United Sates, there are indeed some smart approaches, which could possibly be applied here too. Because many works are donations, the museum often turns to the donor (or their descendants) when for example the fifth Basquiat or the sixth Liebermann are rarely shown. In accord with the donors, the works are sold and young art is bought, which is in turn ascribed to the donors. A win-win situation! Such things should be possible in Germany too. At least the possibility should be allowed for.
In no way do I see myself in a competitive setting with any other institution with Philara, be it public or private. On the contrary I’m glad about the diversity that is offered in our region. I have said it many times before: from a purely museum-based perspective, the Rhineland with Düsseldorf at its heart is the strongest region in the world. Even the huge metropolitan agglomerations like London, Paris and New York can’t match up to that.

Local and Cultural Policy

Unfortunately this is not understood by either the local policy makers or, above all, the state government. It would be relatively inexpensive to specifically advertise for example Düsseldorf, Cologne, Essen and Duisburg in foreign art related media. It seems like no one recognises this though and no one bothers to confront the topic.
The fact that the state accepts the shutdown of Museum Morsbroich, a museum with such a good program, is simply a disgrace. I recently had to personally experience what’s also the status of private involvement at ministry of culture. A kindly offered invitation to the secretary of culture has been met with a reply as if I was an applicant. I wasn’t offended, but I was angry about the ignorance of the letter.

But this isn’t only symptomatic of the state government but rather the relationship with private involvement in general. Relative to its economic power, there are hardly any people who are involved in a noteworthy way. There are so many businesspeople, lawyers, physicians and so on for whom a yearly donation of € 10.000,- would be easy, but unlike the Anglo-American region, it just isn’t bon ton to be privately involved. This way it would be easy to close the gap Eon left at the Museum Kunstpalast und much more.
By and large I have to say again though that our position in a global comparison – because cuts are being made everywhere – is very good. There have always been complaints everywhere and it will likely stay the same in the future.

Gil Bronner, in August 2016
www.philara.de