EDITORIAL # 51

How Do You Do?

Wir freuen uns sehr mit Cahier wieder im Druck
erscheinen zu können!
Was beschäftigt uns nach 15 Monaten Pandemie?
Wie verändert und prägt uns diese Zeit und welche
Auswirkungen hat das im weitesten Sinne auf unser
Denken und auf unsere Arbeit?
Wir möchten diese Ausgabe den Galerien im Rheinland
widmen und fragen How Do You Do / Wie geht es?
24 Galerist*innen aus Düsseldorf und Köln geben dazu
ein Statement, teilen Ihre Gedanken.
Die nächsten Monate und Jahre werden zeigen,
inwiefern der Kunstmarkt es akzeptiert, ermöglicht
und vielleicht sogar begrüßt, wenn mehr eigene Wege
gegangen werden, abseits von unausgesprochenen
aber allgegenwärtigen Regeln und Konventionen die vor
über 40 Jahren gedacht wurden.

Linn Lühn
CAHIER

Corona hat uns aus dem Hamsterrad des verrückten internationalen Kunstmarktes brutal von einem Moment auf den anderen herausgeschleudert. Das tat richtig gut. Die Frage, die sich jetzt stellen wird: wollen wir da wieder rein?

Michael Beck
BECK & EGGELING

Mit der Zunahme des Infektionsgeschehens entwickelte unsere Galerie eine Reihe von Interventionen: Von der Straße aus einsehbar, nutzte dieses Projekt das Schaufenster, um während einer Zeit sozialer Isolation und physischen Abstands mit der Öffentlichkeit in Verbindung bleiben zu können.

Marietta Clages
CLAGES

Die Pandemie hat uns erneut vor Augen geführt, dass die Vermittlung von Kunst ein Forum der fortsetzenden Diskussion und des persönlichen Austausches benötigt. Die diversen Manöver ins Digitale konnten diese Lücke sicherlich nur begrenzt füllen.

GALERIE GISELA CAPITAIN

Nach einem endlos langem Jahr mit täglichen zoommeetings, digitalen openings, OVRs und virtuellen Ausstellungsbesuchen, freuen wir uns mehr denn je auf das persönliche Wiedersehen mit allen Sammler*innen, Kurator*innen und Künstler*innen.

Iris Kadel & Moritz Willborn
KADEL WILLBORN

Die schier endlos erscheinenden Zeiten des Lockdowns waren im wahrsten Sinne des Wortes „tolle“ Zeiten, da man einerseits im Gedränge auf Bahnsteigen, Plätzen und Bushaltestellen einander nicht ausweichen konnte, aber in den Räumen der Galerie Karsten Greve in Köln, die mehrere 100 Quadratmeter Fläche umfasst, während reduzierter Öffnungszeiten kaum jemanden empfangen durfte. Mit den ersten Schritten zur Lockerung wurde der Besuch der Galerie und deren Ausstellungen mit Voranmeldung wieder möglich. Der Galerist Karsten Greve ist zu einem großen Teil vom Auslandsumsatz abhängig und Museumsmitarbeiter, die aus dem Ausland die Galerie besuchen wollten, hatten Reiseverbot. Die Angebote mit Online-Viewing-Rooms waren nur bedingt einen Ersatz für den Zugang zu Originalen und konnten auch den persönlichen, lebendigen Austausch mit Besuchern und Kunden in Ausstellungen und auf internationalen Kunstmessen nicht kompensieren. Die Galerie Karsten Greve präsentierte während der verschiedenen Phasen des Lockdowns bedeutende Ausstellungen an drei Standorten und veröffentlichte drei eigene Publikationen: die Kataloge Louis Soutter. Un Présage (2020) und Ilse Bing. Photographs 1928–1935 (2021), sowie die Broschüre Herbert List. Italia (2020); gleichzeitig gelang es der Galerie durch eine abwechslungsreiche Website, die regelmäßig technisch auf den neuesten Stand gebracht und inhaltlich aktualisiert wird, ihre weltweite Präsenz zu stärken.

GALERIE KARSTEN GREVE

COVID kam… und wird auch wieder gehen. Es war eine einschneidende Zeit für alle von uns und durch die angeordnete Schließung von Galerien, Museen stand die Kultur für einen Moment still. Es war aber auch eine Zeit der Lehre, des Überdenkens, der Neuausrichtung.
Reset und weiter nach vorne blicken!

Christian Lethert
GALERIE CHRISTIAN LETHERT

Abgesehen von der Sorge und der Unsicherheit resultierend aus der Pandemie haben mich die zurückliegenden Monate eine gewisse Zuversicht, Ruhe und Glück begleitet. Aus der schwierigen Situation etwas Gutes und vor allem Anderes zu machen, es als Chance zu nutzen lag nahe. Auf unerwartete Art und Weise kam die Arbeit der letzten Jahre, der internationale Austausch auf Messen etc. in Form von ernsthaftem Interesse für die Galerie und unsere Künstler*innen zurück – zugewandter denn je. Damit hatte ich nicht gerechnet. Mich hat diese Zeit darin bestärkt, dass ich genau das weiter machen möchte was ich seit Jahren mache, allerdings unter etwas abgewandelten Vorzeichen. Ich wünsche mir im Kunstmarkt mehr Transparenz, mehr Visionen und vor allem aber mehr Courage und den Willen anders zu Denken – sowieso, aber jetzt mehr denn je.

Linn Lühn
LINN LÜHN

Neben den Herausforderungen des letzten Jahres in der Pandemie war ein großer Vorteil für beide Galerien Hans und Max Mayer, dass wir uns vollständig auf den Einzug und das Einleben im Schmela Haus konzentrieren konnten. Darüber hinausgehend haben wir den Galerie-eigenen Verlag „Mutter-Ey-Press(e)“ gegründet, der im ersten Jahr monatlich Texte der Leipziger Autorin Heike Geißler über die Website veröffentlicht hat.

Max Mayer
GALERIE MAX MAYER

Die Pandemie hat für uns sehr viele Veränderungen gebracht: wir sind mit der physischen Galerie umgezogen und haben eine virtuelle Galerie aufgebaut. Eröffnet wurde die virtuelle Galerie im Februar 2021 mit dem vierteiligen Ausstellungsprojekt „ONE TO ONE – one Curator meets one Artist“, das in Kooperation mit dem Kuratorinnenkollektiv peer to space entwickelt wurde. Auf einer im Meer liegenden Insel haben wir einen Nachbau der oberen Etage meiner langjährigen Kölner Galerieräume errichtet. Diese Galerie ist ein virtueller Ausstellungsort, an dem trotz der Pandemie persönliche Kommunikation und gemeinsame Kunsterfahrung möglich sind. Jede*r kann ihn als Avatar besuchen und sich mit anderen Anwesenden unterhalten und austauschen. Ich verstehe diese Arbeit mit Kunstwerken im virtuellen Raum als Erweiterung meiner bisherigen Galerietätigkeit. Die Basis ist der analoge Raum als Ort der physischen Begegnung von Kunst und Betrachter*innen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir einen normalen Ausstellungsbetrieb haben werden und die Messen wieder stattfinden können und ich möchte das Beste aus beiden Welten – der physischen und der virtuellen – weiter benutzen.

Priska Pasquer
PRISKA PASQUER GALLERY

Die Corona-Pandemie und die anfänglichen Befürchtungen um die Weiterexistenz der Galerien, hat unserer Gesellschaft und insbesondere der Kunstwelt deutlich vor Augen geführt, dass die Galerien DIE bedeutende, tragende Säule des Kunstbetriebes sind. Denn ohne Galerien gäbe es das gesamte System nicht. Dann nämlich gäbe es keine Messen, talentierte Künstler*innen würden kaum noch entdeckt und hätten keine professionelle Vertretung und keine Ausstellungen im  Kunstmarkt. Die Museen, Sammler und Journalist*innen könnten sich nicht über das aktuelle Kunstgeschehen informieren, geschweige denn Kunst erwerben. Diese Erkenntnis stärkte auch den Zusammenhalt der Galerien untereinander. So haben sich in den letzten 15 Monaten die Galerein deutschlandweit, aber auch in regionalen Gruppen deutlich stärker vernetzt als vor der Pandemie. Es gibt regelmäßigen Austausch, rege Kommunikation und verbesserte Kooperationen, der Bundesverband der Galerien wurde durch zahlreiche Eintritte gestärkt. Wenn es gelingt, all diese Errungenschaften zu bewahren, können wir Galerien selbsbewusst in eine hoffnugsvolle Zukunft blicken.

Rupert Pfab
GALERIE RUPERT PFAB

Eine Vollbremsung hat zwei Seiten, eine Schlechte und eine Gute. Der Markt verlangsamte sich und stand fast ratlos still – experimentieren war gefragt. Diese reflexive Zeit hat uns geholfen einen geschärften Blick auf unsere Arbeit zu bekommen. Wir haben bisherige Aktivitäten analysiert und selektiert, daraus inhaltliche Strategien entwickelt und sind auf dem Weg diese umzusetzen. Neue digitale Möglichkeiten haben sich ergeben, die das Bewährte ergänzen. Wir werden mit neuer Energie weitermachen.

Thomas Rehbein
THOMAS REHBEIN GALERIE

Eine allgemeine Ungewissheit, die sich zu Beginn der Pandemie eingestellt hat, ist bei mir geblieben. Glücklicherweise hat sie über die Monate ihren Schrecken verloren und zu einer angenehmen Freiheit innerhalb meines Denkens geführt. Mein Aufbruch hat begonnen, ich sehe spannenden Veränderungen entgegen.

Petra Rinck
PETRA RINCK GALERIE

Für uns hatte die Pandemie den Charakter einer Katharsis: Beruflich haben wir uns auf das für uns Wesentliche konzentriert und das ist die Kunstvermittlung für die Künstler an die Sammler*innen, im „secondary market“ ist es der An- und Verkauf, hierbei besonders der  Einkauf. Wir haben unsere Sichtbarkeit auf Kommunikationsplattformen erhöht und unser persönliches Gespräch forciert. Mit der Leidenschaft für die Kunst durften wir mit allen Beteiligten diese besondere Zeit als lehrreich und gehaltvoll erleben.

Paul Schönewald
SCHÖNEWALD FINE ARTS

Nachdem im März 2020 unsicher war, wie sich die Situation weiter entwickeln wird, war es doch sehr erstaunlich wie schnell die Kunstwelt zusammengerückt ist, und durch gemeinsame Projekte und gegenseitige Unterstützung Stärke gezeigt hat. Obwohl es bestimmt für viele Künstler, Galerien und Institutionen keine einfache Zeit war, sind Innovationen entstanden, welche sich für die Zukunft des Kunstmarkts langfristig positiv auswirken werden und zur Professionalisierung beitragen.

Alexander Sies
SIES + HÖKE GALERIE

Im letzten Jahr habe haben sich mir unerwartete Freiräume und neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Ich habe meine Prioritäten neu gesetzt, unerwartete Ausstellungen zusammengestellt und flexiblere Arbeitsmodelle entdeckt. Durch meinen Podcast „Voices On Art“, der im Mai 2020 aus den Erfordernissen der Zeit entstanden ist, bin ich mit Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt, erfahre mit Begeisterung ihre Geschichten und bin glücklich diese mit Anderen teilen zu können. Das macht großen Spaß. Die Diskussion um den CO2-Fußabdruck in der Kunstwelt und unsere Möglichkeiten auf Klimaneutralität hinzuarbeiten, haben bei mir Eindruck hinterlassen. Ich wünsche mir, dass es mit mehr Ruhe und Freundlichkeit in die Zukunft geht.

Daniela Steinfeld
VAN HORN

Et hätt noch immer jot jejange! (Kölsches Grundgesetz §3)

Thomas Zander
GALERIE THOMAS ZANDER