EDITORIAL # 40

DAS NEUE K20 UND K21 / THE NEW K20 AND K21

Susanne Gaensheimer
Prof. Dr. Susanne Gaensheimer, Director Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen

Die Metapher vom Schiff, das unter neuen Segeln auf neuem Kurs unterwegs ist, liegt nahe: Seit vergangenem September leitet Susanne Gaensheimer die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Mit einer ganzen Reihe von Ausstellungen und Projekten hat sie in den vergangenen Monaten bereits klargemacht, wohin die Reise der beiden Häuser K20 und K21 gehen soll.

Deutlich wird bereits, dass beide Ausstellungsorte ein stärkeres und jeweils eigenständigeres Profil bekommen sollen: So wird sich das „neue“ K21 nach Renovierung und Neueröffnung am 6. September ganz klar als Haus der zeitgenössischen Kunst profilieren, das mit Media-Lounge, dem Archiv der Galerie Fischer sowie Räumen für die Vermittlung oder Leseecken in der kostenlos zugänglichen ersten Etage spürbar besucherfreundlicher werden wird. Untergeschoss und Bel Etage bleiben der Ausstellungspräsentationen internationaler Gegenwartskunst vorbehalten. Das K20, Ausstellungsort der renommierten ständigen Sammlung der NRW -Landesgalerie mit Werken von Matisse bis Beuys und Richter, erweitert seine Perspektiv um den Aspekt des Globalen. In sechs Stichworten – wie die Himmelsrichtungen auf einem imaginären Kompass – nimmt Kunstsammlungs-Direktorin Gaensheimer die Leser und Leserinnen von Cahier schon jetzt mit auf die Reise und erläutert ihren Kurs, zunächst für das K20:

The metaphor of a ship sailing on a new course under new sails would be an apt descriptor; since last September, Susanne Gaensheimer has led the Nordrhein-Westfalen Kunstsammlung in Düsseldorf. With an entire series of exhibitions and projects, she has already made clear in the last months where the journey of the K20 and K21 houses should lead.

The exhibition venues have clearly already started to cultivate stronger and more independent profiles:

Following its renovation and reopening on September 6, the “new” K21 will clearly distinguish itself as a site of contemporary art and become notably more visitorfriendly with free admission to a media lounge, the Galerie Fischer Archive, and meeting spaces and reading rooms on the first floor. The ground floor and the belétage will be reserved for international, contemporary art exhibitions. The K20—the exhibition site of the NRW -Landesgalerie’s renowned permanent collection with works by artists from Matisse to Beuys and Richter —will extend its outlook to encompass a global context.

Like the cardinal direction of an imaginary compass, the director of the art collection Dr. Gaensheimer will take readers of Cahier along on a journey to explain the institution’s new course in six key words. First with regard to the K20:

Douglas Gordon, k.364, 2011, 2-Kanal, HD Video-Installation (16:9) Ratio, Sound, 50'33", Installation view K20

GLOBAL

„Nach etwa drei Jahren Vorbereitung und Forschung durch unser Kuratorinnen-Team eröffnen wir im November als Ergebnis der Recherche die Ausstellung museum global. Ziel ist es darzustellen, welche Formen der Moderne sich auf anderen Kontinenten entwickelt haben. Unsere ganz und gar auf den westlichen Kunstkanon festgelegte Sammlung gibt hierzu eine sehr gute Folie ab. Was geschah woanders, als Matisse, Picasso oder Kandinsky ihre großen Werke schufen? Natürlich müssen wir uns auf einzelne Aspekte des weltweiten Geschehens konzentrieren: So werden wir Werke aus Brasilien, Westafrika oder Japan zeigen. Dieser Schritt ist nicht als kulinarischer Gaumenkitzel gedacht, sondern soll bei uns allen, dem Museumsteam wie bei den aufmerksamen Besuchern, eine deutliche Änderung gegenüber der Kunst und Kultur der Moderne, eben einen globalen Blick, bewirken. Nicht zuletzt in der künftigen Sammlungs-Präsentation im K20 wird dies ablesbar sein.“

GLOBAL

“After around three years of preparation and research by our curatorial team, the opening of the exhibition museum global in November represents the culmination of our work. The goal is to present modernist forms that have developed on other continents. Our collection—entirely based on the Western art canon—will serve here as a very good foil. What was happening in other areas when Matisse, Picasso, and Kandinsky were creating their masterpieces? We need to, of course, narrow our focus to particular aspects of worldwide historical events, so we have chosen to display works from Brazil, West Africa, and Japan. This measure is not meant to be seen in the light of a culinary delicacy, but is rather intended to clearly change and expand the museum team and thoughtful visitor’s views of modernist art and culture. This will certainly be legible in future presentations of the K20 collection.”

Douglas Gordon, k.364, 2011, 2-Kanal, HD Video-Installation (16:9) Ratio, Sound, 50'33", Installation view K20

BEWEGUNG

„Diesen in einem klassischen Kunstmuseum eher ungewohnten Aspekt bringen wir durch gezielte Grenzüberschreitungen der künstlerischen Medien ein. Zum ersten Mal während der Ausstellung mit Gemälden Carmen Herreras haben wir das Experiment gewagt: In der weitläufigen Grabbe Halle ist Maria Hassabi mit ihren minimalistischen choreografischen Installationen aufgetreten. Es war faszinierend zu sehen wie das Publikum die Akteure mit ihren Darbietungen von ungewohnt gedehnter Dauer unter dem Gesichtspunkt von Zeit und Bewegung wahrgenommen hat. Anschließend zeigte der Brite Douglas Gordon in der Grabbe Halle seine berührende Videoinstallation ,K.364‘. Zwei israelische Musiker sprechen auf der Reise von Berlin nach Warschau über die Last der Geschichte Polens während des Holocaust, hierzu kling tröstlich die Musik Mozarts. Unsere Besucher haben sehr gut verstanden, dass bei den beiden so unterschiedlichen Projekten auch die riesigen Dimensionen der leeren Grabbe Halle ihren Part gespielt haben.“

MOVEMENT

“We are introducing movement—a rather unconventional form in a classical art museum context—as a deliberate transgression of artistic media. We tried this experiment for the first time during an exhibition of Carmen Herrera’s paintings. Maria Hassabi performed her minimalistic choreographic installations in the spacious Grabbe Halle. It was fascinating to see how the audience perceived the performers in their unusually stretched performance in terms of both time and movement. British artist Douglas Gordon subsequently showed his poignant video installation K.364 in the Grabbe Halle. Two Israeli musicians talk about the burden of Poland’s history during the Holocaust with Mozart’s music consolingly playing in the background of a trip from Berlin to Warsaw. As visitors to these exhibitions were well aware, the massive dimensions of the empty Grabbe Halle played a part in the two very different projects.”

Anni Albers, Eclat (Navy), ca. 1976–79, designedfor Knoll Textiles, screenprint on cotton and linen, 29 x 45 cm

FRAUEN

„Mit der Retrospektive zum Lebenswerk der 1915 geborenen und immer noch aktiven amerikanischen Malerin Carmen Herrera ist es uns gelungen, diese wichtige und zu lange nicht beachtete Künstlerin auf die internationale Landkarte der Kunst zu platzieren. Während der Vorbereitungen hat sie uns erzählt, dass es für sie als gebürtige Kubanerin und als Frau quasi unmöglich war, in der New Yorker Kunstszene der 50er, 60er und 70er Jahr Fuß zu fassen – ganz anders als ihre männlichen Kollegen. Von Juni bis September zeigen wir im K20 mit über 200 Werken Anni Albers, die das Weben zur Kunst gemacht hat. Fast ausschließlich ist sie bisher lediglich als Ehefrau des Bauhaus-Meisters Josef Albers wahrgenommen worden; ihre eigenen praktischen wie theoretischen Leistungen in Europa und den USA kommen erst jetzt zur Geltung. Die Choreografin Maria Hassabi habe ich eben schon erwähnt. Deutlich wird, dass es Frauen in Museen oder Galerien immer noch schwerer haben als Männer. Allerdings soll dieser Aspekt unserer Museums-Arbeit nicht als vordergründige ,Frauenförderung‘ missverstanden werden: Mich interessieren Künstlerinnen immer dann, wenn sie sich mit ihrem Werk als wirkliche Pionierinnen der Kunst profiliert haben.“

WOMEN

“With the retrospective of American painterCarmen Herrera—born in 1915 and still active today—we succeeded in placing this important and the long-overlooked artist on the map of the international art world. During the preparation stage, she told us that as a native Cuban and a woman it was virtually impossible for her to enter the New York art scene in the 1950s, 1960s, and 1970s. From June to September, K20 will exhibit over two hundred works by Anni Albers that brought weaving into fine art. To this day, she has been known almost exclusively for being the wife of Bauhaus master Josef Albers; her own practical and theoretical accomplishments are only now becoming visible in Europe and the United States. I have already mentioned the choreographer Maria Hassabi. It is clear that women still have it harder in museums and galleries than men. This aspect of our museum work should, however, not be misconstrued as a superficial attempt to ‘promote women’; without exception, I am interested in artists that have distinguished themselves through their work as true artistic pioneers.”

Anni Albers in her studio, Black Mountain College, 1937

Im K21 werden folgende Stichworte eine Rolle spielen:

INTERNATIONAL

„Gegenwartskunst von internationaler Bedeutung wird verstärkt im K21 ihren Platz finden. Für die Wechselausstellungen stehen das weitläufige Untergeschoss und die Bel Etage über dem Haupteingang von K21 mit drei hellen Sälen zur Verfügung. Dieses Programm hat im Herbst mit dem libanesischen Foto-Künstler Akram Zaatari begonnen, der uns mit seiner ganz eigenwilligen Vorstellung von Fotokunst überrascht hat. Wir fanden das eine wirklich gute Ergänzung zu der hier in Düsseldorf sehr bekannten und gewohnten Sehweise der Becher-Schule! Noch bis Mitte August 12 gastiert das Raqs Media Collective mit seinen vielfältigen Arbeiten über die Begriffe Zeit und Geschichte hier. Ab Oktober wird die chinesische Künstlerin Cao Fei im K21 zu Gast sein, um ihre multimedialen Arbeiten zu den Themen des globalen Kapitalismus und dem Leben in den Metropolen vorzustellen. Ab dem 6. September zur Wiedereröffnung des K21 gastiert die amerikanische Künstlerin mit dem geheimnisvollen Pseudonym Lutz Bacher in der Bel Etage. Wir sind sicher, mit dieser Künstlerin gerade ein jüngeres Publikum begeistern zu können.“

The following key words apply to K21:

INTERNATIONAL

“Increasing space at K21 will be devoted to contemporary art with international significance. The spacious basement and three bright rooms above the venue’s main entrance on the bel étage are available for temporary exhibitions. This program began in the Fall with Lebanese photo artist Akram Zaatari, who surprised us with his entirely unconventional photo art show. We found that it proved to be a very nice complement to the visual sensibility of the Becher School, well known in Düsseldorf! The space will host the Raqs Media Collective with its diverse works on the concepts of time and history until August. Beginning in October, K21 will host Chinese artist Cao Fei to exhibit her multimedia works that address the themes of global capitalism and metropolitan life. Beginning with K21’s reopening on September 6, the American artist working under the mysterious pseudonym Lutz Bacher will be hosted on the bel étage. We are certain that these artists will stir excitement among a younger audience.”

Cao Fei, Haze and Fog 04, 2013, inkjet print on paper

LEBENDIGKEIT

„Die weite Piazza des K21 unter der Glaskuppel als Schauplatz von Performances und die neu eingerichtete erste Etage werden dem Ständehaus frische Impulse verleihen. Die kostenlos zugänglichen Räume der ersten Etage beherbergen künftig unter anderem eine Media-Lounge sowie das von uns zusammen mit dem Kunstbesitz der Galerie Fischer erworbene Archiv dieses bedeutenden Düsseldorfer Kunsthandels. Mit Original-Dokumenten und natürlich vor allem am PC-Bildschirm können sich unsere Besucher in die Aktivitäten der Galerie Fischer vertiefen, die insbesondere während der 70er Jahre wahre Herkulesarbeit bei der Durchsetzung von Konzept- und Minimalart geleistet hat – übrigens beiderseits des Atlantik! Dann planen wir dort auch einen großen Arbeitsraum für einige Mitarbeiter unseres Teams. Mit all dem soll deutlich werden: Das K21 lebt!“

LIVE

“The expansive K21 piazza under the glass dome will be used as a site of performance, and the newly furnished first floor will give the Ständehaus a fresh boost. Among other things, the free admission rooms on the first floor will house a media lounge as well as an archive of important work from the Düsseldorf market, which we acquired together with the Galerie Fischer Kunstsammlung. With original documents and, of course, digitally archived material, our visitors can deepen their understanding of the Galerie Fischer’s activities, which did truly Herculean work in the 1970s promoting conceptual and minimal art on both sides of the Atlantic! We are also planning to include a large workroom for some of our team members here. With all of this in mind, it should be clear: K21 lives!”

Raqs Media Collective, Installation view K21 Ständehaus

DÜSSELDORF

„Natürlich werden wir im K21 auch dem genius loci der Kunststadt Düsseldorf huldigen. Erster Vorbote: Reinhard Muchas monumentales Deutschlandgerät als Zentralwerk im K21 wird derzeit gründlich technisch restauriert. Dann laufen bereits Gespräche mit drei renommierten Düsseldorfer Künstlern, die wir in den kommenden Jahren im K21 in Einzelausstellungen präsentieren wollen. Namen möchte ich jetzt aber noch nicht nennen, da die Verträge noch in Arbeit sind. Schließlich haben wir mit der Staatlichen Kunstakademie, dem direkten Nachbarn unseres K20, etwas Spannendes vereinbart: Künftig wollen wir jährlich die Werke der Absolventinnen und Absolventen der Akademie im Ständehaus vorstellen. Natürlich haben wir nicht die Absicht, damit dem sehr beliebten Akademie-Rundgang Konkurrenz zu machen.“

DÜSSELDORF

“We will, of course, also pay homage to the genius loci of Düsseldorf as an artistic center. First precursor: Reinhard Mucha’s monumental Deutschlandgerät, a central artwork at K21, is currently undergoing thorough technical restoration. We are already in talks with three renowned Düsseldorf artists, who we want to present solo exhibitions at K21 in the coming years. I do not want to reveal names yet though, because the contracts are still being negotiated. Finally, we have agreed to something exciting with our direct neighbors, the Staatliche Kunstakademie; in the future we want to present the works of graduates from the academy once a year in the Ständehaus. We, of course, do not intend to compete with the beloved Akademie-Rundgang.”